ABC do BRASIL

Bem-vindo – Herzlich Willkommen!

Die ersten hier veröffentlichen Beiträge des „ABC do BRASIL“ entstanden auf meiner zweimonatigen Projektreise durch Brasilien. Beiträge zu den noch fehlenden Buchstaben sind in Vorbereitung und werden im Laufe des Wintersemesters 2017/18 hinzugefügt werden. Es lohnt sich also, immer wieder einmal vorbeizuschauen.

In diesem Sinne „até logo“

Markus Auditor

A – AXÉ – Gruß aus Bahia

AXE

Axé gehört zum afro-brasilianischen Wortschatz und bedeutet Energie, Kraft. In Salvador, der ersten Hauptstadt Brasiliens, ist das afrikanische Erbe allgegenwärtig. Dazu gehören auch die Afro-Blocks des Carnaval. Hier ein kurzer Filmausschnitt mit einer kleinen Kostprobe einer Jugendgruppe, die auf den Strassen des Pelourinho in Salvadors Altstadt mit viel AXÉ ihre Rhytmen einübt.

B – Beijú

Der aus Maniokmehl in der Pfanne zubereitete Fladen ist so etwas wie der „Döner Nordostbrasiliens“, überall an Imbissständen wird er angeboten: klassisch mit Margarine, mit hausgemachter Sahne- oder Kokosbutter oder mit Konfitüre und trockenem Käse. Im Nordosten traditionell Beijú genannt wird er in Brasiliens ansonsten allgemein als Tapioca bezeichnet, was eigentlich Maniokmehl bedeutet. Das Foto zeigt eine kreative Variante in einem Restaurant in der Chapada Diamantina im Landesinneren des Bundesstaates Bahia mit dem im Sertão typischen Carne Seca (gedörrtes Trockenfleisch), Tomaten, Zwiebeln und Mozarella.beiju

C – Caatinga

Das zum indigen-brasilianischen Wortschatz gehörende Caatinga bedeutet Weißer Wald. Sie ist die hauptsächlich vorkommende Vegetation des etwa 1,2 Mio. qkm großen Sertão im Landesinneren Nordostbrasiliens.  Mit ihren verwucherten, niedrigen Dornbusch- und Krüppelbäumen sowie Sukkulenten ist sie optimal an das semi-aride Klima mit Spitzenwerten von bis zu über 40 Grad Celsius und immer wieder auftretenden langjährigen Secas (Dürreperioden) angepasst. Aktuell hat es seit drei Jahren kaum mehr richtig geregnet und die Caatinga hat ihr aschweißfarbenenes Kleid bekommen; die Blätter fallen von den Juremas, den Marmeleiros und Catingueiras. Allein die Xiquexiques, eigensinnig wie die Juazeiros, erhalten sich ihr grünes Kleid und bilden so einen Kontrast in der sonnenversengten Landschaft.

caatinga01

E – Escola Nota 10

escola10

Escola Nota 10“ (10 ist im brasilianischen Schulsystem die Bestnote) ist ein Schulentwicklungsprojekt der Regierung des Bundesstaates Ceará im Nordosten Brasiliens. Anhand der Leistungsergebnisse der 2. bzw. 5. Klassen werden dazu jedes Jahr die 150 besten Schulen des Bundesstaates ermittelt und mit 2000 Reais (ca. 550 €) pro Schüler/in der entsprechenden Klassen prämiert. Das entscheidende des Projekts, so Francisco Ferreira Sobrinho, Schuldirektor der bereits drei Mal ausgezeichneten Gemeindeschule im Disktrikt Nova Betânia, sei allerdings, dass die 150 besten Schulen für ein Jahr lang eine Mentoringpartnerschaft für eine der 150 am schlechtesten abgeschnittenen Schulen übernehmen. In diesem Jahr werden u.a. gegenseitige Unterrichtshospitationen und gemeinsame Workshops durchgeführt. Eine der Partnerschulen von Nova Betânia konnte nach diesem Mentoringjahr selbst schon die Auszeichnung als eine der 150 besten Schulen erlangen.

P – Paralellwelten: „Primeiro mundo“ – „Terceiro mundo“

paralellwelt

In wenigen Ländern der Erde liegen die Kontraste des Alltagslebens der sogenannten „Ersten Welt“ und „Dritten Welt“ so nahe beieinander wie in Brasilien. Die Bildcollage aus der Region Cariri im Süden des Bundesstaates Ceará zeigt diese „Paralellwelten“ anhand der Ernährungsgewohnheiten: Einerseits globalisierter Esskonsum für eine kleine zahlungsfähige Oberschicht, hier in einem Shopping-Center in der Stadt Juazeiro do Norte; andererseits die traditionelle Volksküche des Sertão aus Reis, Bohnen, Maisbrot und den hier abgebildeten gebratenen Piabinha (kleine gesalzene Süßwasserfische).

R- Repúblicas estudantis

Die Strassen der Bergstadt Ouro Preto werden von dutzenden Repúblicas estudantis geprägt. Ihre Geschichte beginnt, als Ouro Preto im Jahr 1890 den Status als Hauptstadt von Minas Gerais an die Stadt Belo Horizonte verlor. Damals verließen tausende Regierungsbeamte mit ihren Familien die Stadt und vernachlässigten im Laufe der Jahre auch ihre Häuser in Ouro Preto immer mehr. Um sie nicht verfallen zu lassen, begannen Studierende diese zu besetzen und gründeten in den Häusern ihre Studentenrepubliken mit eigenen „Hausregeln“.
Im 20 Jh. ging der Besitz der Häuser dann aufgrund eines Erlasses der Landesregierung von Minas Gerais an die Escola de Minas über, aus der später die Universidade Federal de Ouro Preto hervorging. So funktionieren die 67 Häuser noch heute als
mietfreie, selbsverwaltete Studentenwohnheime.

republica

S – Seca

Aktuell hat es seit drei Jahren kaum mehr richtig geregnet und der Wind trägt eine heiße und erstickende Brise vor sich her, die dem von der Sonne aufgerissenen Boden entsteigt. Die Flüsse trocknen nun aus, bilden zunächst noch kleine Wasserstellen bis sie schließlich vollständig verdunsten. Neben extrem schlechten Ernten hat diese Seca (Dürre, trocken)  mittlerweile auch zur Folge, dass sich die Haushalte mit gekauftem Trinkwasser versorgen müssen.

ver uma flor florescer
na areia seca

eine Blume blühen sehen
im trockenen Sand

suas cores inspiram
seu odor harmoniza
e sua resistência fascina

ihre Farben inspirieren
ihr Duft harmonisiert
und ihre Widerstandskraft fasziniert

ver uma criança esgotar-se
na areia seca

ein Kind sich abschuften sehen
im trockenen Sand

seus olhos ardentes paralisam
seu suor pertuba
e sua fraqueza desespera

seine brennenden Augen lähmen
sein Schweiß beunruhigt
und seine Schwäche lässt verzweifeln

ver uma flor murchar
numa pequena cova
de pouca aparência
na areia seca

eine Blume verwelken sehen
auf einem kleinen unscheinbaren Grab
im trockenen Sand

e calma de canção
vira cantador calado
pois voz apagada
não canta de tristeza
mas bebe esperança
das lágrimas
na areia seca

und aus der Ruhe des Gesangs
wird ein verstummter Sänger
denn erloschene Stimme singt nicht von Traurigkeit
sondern trinkt Hoffnung
aus den Tränen
im trockenen Sand

U – Upcycling à la sertaneja: Sabão Caseiro

sabao

Im Dorf Nova Betânia wurde vor drei Jahren ein Schulprojekt zur Herstellung von Sabão Caseiro (sabão: Seife; casa: Haus) für die Geschirr- und Kleiderwäsche aus Küchenölresten sowie u.a. Soda gestartet. Die Schüler/innen sammeln dazu zuhause die Ölreste und bringen diese dann mit in die Schule. Durch das Projekt wird zum einen verhindert, das die Küchenölreste über den Restmüll den Boden verunreinigen. Zum anderen bietet die Produktion eine kostengünstige Alternative zu den teuren kommerziellen Waschmitteln.
Der Film zeigt Alda Duarte Pinheiro Rodrigues von der Frauenvereinigung des Dorfes und Francisco Pereira Silva, Lehrer für Mathematik und Naturwissenschaften, bei der Produktion zuhause. In der Schule findet diese im Rahmen des Unterrichts unter Verwendung entsprechender Schutzkleidung statt. Mittlerweile habe sich die Produktion über die Schüler/innen in viele Haushalte des Dorfes sowie umliegende Ortschaften weiterverbreitet, so Alda.

V – Vida Sertaneja

Wild tanzt die Sonne über den ausgehungerten Seelen. Sie lacht sie aus, ohne dass sie es unten ahnen. Die Luft wird kaum den Geruch des Staubes der durchlöcherten Straßen los. Manchmal ziehen die Wolken stur und stramm wie Soldaten am Himmel vorüber und weich weht der Wind ihre Hoffnungen hinweg, so dass sie es unter ihrer Haut fühlen.
Abends täuscht die laue Kühle, die sie betrunken macht, so dass sie unermüdlich tanzen. Sie tanzen dann so wild wie die Sonne des Tages bis spät in die Nacht hinein. Seltener regnet es nachts ein paar Tropfen, so dass die Kinder in den Pfützen des frühen, kühlen Morgens tanzen können. Sie tanzen dann bis in den Mittag, wenn Wasser wieder zu Staub und Hoffnung zu Glaube geworden ist.
Sie jammern nicht, sie heulen nicht. Sie lachen wie die sengende Hitze, immer in demselben monotonen Rhythmus der Magie ihres Flecken Erde. Denn sie sind eins mit ihnen allen, mit der Sonne, der Erde, der Hitze, den Tänzen und der Magie.
Der semi-aride Sertão im Nordosten Brasiliens gehört zu den widersprüchlichsten Regionen der Erde. Das Spiel der Gegensätze scheint hier unendlich und jedes neue offenbart einem eine andere Wirklichkeit dieses Flecken Erde und seiner Menschen: der Sertão kann Wüste sein und frischgrüne Hügellandschaft; er bietet fast unmenschliche Lebensbedingungen, doch sein einfaches Volk sprudelt über vor Menschlichkeit; seine Mittagshitze lähmt seine Bewohner, die in der Abendkühle des Junis nicht müde werden zu tanzen und immer wieder zu tanzen.
Wie kaum eine andere Gegend dieser Erde macht der Sertão deutlich, wie absurd der Begriff Wahrheit ist; hier ist nicht einmal mehr das Leben Wahrheit; es ist die Mystik der Vergangenheit, überlieferter Rituale und Traditionen, weitergetragener Geschichten sagenhafter Gestalten wie Lampião und Padre Cicero. Und derjenige, der in diesem Land und unter seinem Volk lebt, lernt alles, was dem Sertão entspringt, zu bewundern und zu lieben. Selbst die Landschaft der Dürre ist dann nicht mehr nur Zeichen von Hunger und Elend, sondern man erkennt in ihr auch das Schöne, das Anregende.

Z – Zona rural

Das Dorf Nova Betânia im Süden des Bundesstaates Ceará (Nordostbrasilien).